Stammtische #ProjektDings

Ich bin recht spät zu Stammtischen gekommen. Der Austausch mit anderen Menschen zu meinen Themen hat mich nie sonderlich interessiert. Wohl auch, weil ich mich auf meinem Weg nicht beeinflussen lassen wollte. Schon im Netz habe ich gelesen, was eine „richtige/echte/wahre“ Sub oder Dom zu sein hat und es hat mich nach intensivem Nachdenken einfach nicht mitgenommen. Nicht frei von Fehlern habe ich früher gedacht, dass mein Weg somit richtig ist. Und bin davon ausgegangen, dass dieser sicherlich allgemeingültig zu sehen sei. Was für eine krude Logik.

Richtig ist in meinen Augen, dass /mein/ BDSM für /mich/ richtig ist. Die Erfahrungen habe /ich/ gemacht und niemand kann mir sagen, ob diese richtig oder falsch sind. Warum also sollte ich diese Erfahrungen mit anderen teilen? Noch männlich konnotiert war ich recht erfolgreich auf meinem Weg. Der Archiv-Blog (wird Ende 2021 gelöscht) wurde und wird gut besucht. Aber er repräsentiert mich nicht mehr. Auch wenn diese Vergangenheit immer Teil von mir bleiben wird.

Viele Menschen haben sich an mich gewandt um zu verstehen, wer oder was sie sind. Das ist immer noch so. Wenn ich also so eine Art „Kleiner Leuchtturm“ bin, warum sollte ich mich mit anderen vergleichen, wenn ich mich in meiner Blase gut aufgehoben fühlen konnte. Die wenigen, die meinen Worten nicht folgen konnten oder wollten, habe ich geflissentlich ignoriert und es ergaben sich sogar kleine Twitterfeindschaften. Ich war ein aufgeblasenes, ignorantes Arschloch und mir ging es nur um den eigenen Schutz der Materie. Ich wollte Anerkennung oder zumindest Respekt. Also warum sollte ich mich in Ebenen wiederfinden, wo ich mich für meine Ansichten verteidigen musste?

Meine persönliche Meinung ist bis heute immer gewesen, dass gerade im BDSM alles erlaubt ist, was auf Konsens zwischen Menschen beruht und darüber hinaus nichts strafrechtlich Verwertbares herauskam. Auch wenn ich nicht verstehen kann, was Männer zB daran fasziniert in Frauenkleidern Sex mit Frauen zu haben, so ist dieses Bedürfnis für diesen Mann und diese Frau nichts Schlimmes. Es ist in absoluter Ordnung. Aber was ich so im Netz an Kinkshaming und Missverständnissen vorgefunden habe, hat mich immer davon abgehalten, mich auf Stammtische zu begeben. Warum sollte ich meine Freizeit mit Menschen verbringen, welche potentiell nur ihren Kink/Fetisch als den wahren BDSM betrachten und mich für meine Neigungen ablehnen?

Außerdem habe ich keinen Vorteil für mich gesehen auf einen BDSM-Stammtisch zu gehen, wenn dort nicht auch offen über BDSM gesprochen werden konnte. Was ist der tiefere Sinn sich auf einem BDSM-Stammtisch über die Pflege von Rosen oder die Erziehung von Kindern zu unterhalten?

Mittlerweile leite ich meinen eigenen Sexworker-Stammtisch in Köln. Wir treffen uns einmal im Monat (derzeit online) und wir quatschen einfach über alles drunter und drüber. Über meine Transition, über die Operation von jener, über die Kinder des Anderen, wir besprechen Strategien gegen das Sexkaufverbot, planen Demos, sprechen über Hygiene. Der Stammtisch wird auch außerhalb Kölns wahrgenommen, da sich auch (online zumindest) Menschen aus dem Ruhrgebiet zuschalten. Wir hatten sogar Menschen aus Hamburg und Leipzig mal dabei. Wir reden hier abseits von Sexwork also auch über Dinge, die mit Sexwork nichts zu tun haben. Und es gefällt mir auch noch, obgleich ich das doch (siehe oben) gar nicht mag? Was stimmt denn da mit mir nicht?

Ich glaube, dass es daran liegt, dass wir alle uns darin einig sind, dass wir alle Sexworker sind. Und es ist kein Geheimnis. Wer mag, der redet offen über seine Angebote und bekommt dabei kein Shaming zurück. Es ist eher interessant zu belauschen, was andere so anbieten. Es werden Fragen gestellt, die auf Neugier und nicht auf Ablehnung schließen lassen. Ich habe zwar durchaus mal durchblicken lassen, dass ich Spiele mit Blut und krasses SM nicht so mag, aber es wird mir nicht übel genommen, wenn ich meine Gefühle für bestimmte Dinge offen lege. Weil wir alle uns einfach auf eine bestimmte Art mögen und schätzen, ob wir von der Straße, aus dem Hotelzimmer oder einem BDSM-Studio kommen. Vielleicht ist es auch eine „Gemeinschaft der Stigmatisierten“, die uns mehr verbindet als die unterschiedlichen Dienstleistungen, die wir so anbieten oder gar ablehnen.

In dieser Blase habe ich mehr über Awareness und Antidiskriminierung gelernt als irgendwo sonst. Außerhalb dieser Blase ist das immer sehr schwierig zu Teilen. Leider.

Aber um daran auch außerhalb der Blase was zu ändern ist auch mein Anliegen. Und deswegen freue ich mich sehr, dass die Mitglieder des BesD e.V. mich in den Vorstand berufen haben. -> Unser Vorstand – BesD e. V. | Berufsverband Sexarbeit (berufsverband-sexarbeit.de)